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Zum Thema Vorsorge, Vollmachten, Verfügungen

Neues Betreuungsrecht  – Folge 2

Der Bundesgerichtshof, die höchste Zivilgerichtsinstanz, hat am 16.11.2022 (XII ZB 212/22) einen ganz wichtigen Beschluß gefaßt, aus dem sich für die Bürger zwei entscheidende Erkenntnisse ergeben:

1.Amtlicher Leitsatz:

Soweit in einer Vorsorgevollmacht keine anderweitigen Regelungen enthalten sind, berechtigt die Vollmacht den Bevollmächtigten nur zur rechtlichen Vertretung, verpflichtet aber nicht zur persönlichen Betreuung des Vollmachtgebers. Der Vorsorgebevollmächtigte hat nur die notwendigen tatsächlichen Hilfen zu besorgen, nicht jedoch selbst zu leisten.

2.Aus der Begründung:

Ein Bevollmächtigter, der nicht in der Nähe des Vollmachtgebers wohnt, kann nicht ohne weiteres, nämlich nur dann als ungeeignet angesehen werden und deshalb die Bestellung eines Betreuers gerechtfertigt sein, wenn tragfähige Gründe dafür festgestellt werden können, dass er aufgrund der räumlichen Entfernung zum Betroffenen die Vollmacht nicht zu dessen Wohl ausüben kann oder will.

3. Sachverhalt: 

Die Betroffene war psychisch und physisch schwer erkrankt. Im Jahre 2019 wurde eine Betreuerin bestellt. Im Jahre 2021 beurkundete die Betroffene wirksam eine notarielle Vorsorgevollmacht, an der sie ihren Ehemann zum Bevollmächtigten einsetzte. Sie beantragte daraufhin – wegen des nach altem und neuem Recht gesetzlichen Vorrangs der Vorsorgevollmacht – die Aufhebung der Betreuung oder, ihren Ehemann zum Betreuer zu bestellen. Die ersten beiden Instanzen lehnten die Aufhebung der Betreuung ab mit der Begründung, der Ehemann wohne zu weit weg vom beabsichtigten Aufenthaltsort der Betroffenen.

Der Bundesgerichtshof hat seine bisherige Rechtsprechung dazu zusammengefaßt und wiederholt:

Zwar bedürfe es im vorliegenden Fall aufgrund der Erkrankung der Betroffenen in besonderem Maße eines persönlichen Kontaktes, um eine Verschlechterung des Gesundheitszustands der Betroffenen frühzeitig wahrzunehmen und entsprechend zu handeln, aber: Ein Vorsorgebevollmächtigter sei  zwar zu einem regelmäßigen persönlichen Kontakt zum Vollmachtgeber verpflichtet, schon um die Informationen zu erhalten, die für die Ausübung seiner Tätigkeit erforderlich sind. Soweit in einer Vorsorgevollmacht – wie hier – keine anderweitigen Regelungen enthalten sind, berechtigt die Vorsorgevollmacht den Bevollmächtigten jedoch nur zur rechtlichen Vertretung, verpflichtet ihn aber nicht zur persönlichen Betreuung des Vollmachtgebers. Seine Rechtsstellung unterscheidet sich insoweit nicht von der eines Betreuers, der nur zu Erbringung solcher Tätigkeiten verpflichtet ist, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betroffenen rechtlich zu besorgen. Es ist nicht die Aufgabe des Betreuers, die tatsächlichen Lebens- und Pflegebedürfnisse des Betroffenen in eigener Person zu befriedigen. Gleiches gilt in der Regel auch für den Vorsorgebevollmächtigten. Dieser hat wie ein Betreuer nur die notwendigen tatsächlichen Hilfen zu besorgen, nicht selbst zu leisten (BGH Beschluss vom 02.12.2010, III ZR 19/10). Insbesondere ist er zur Erbringung tatsächlicher Pflegeleistungen oder zur persönlichen Hilfe im Alltag nicht verpflichtet (vgl. Senatsbeschluss vom 17.02.2016, XII ZB 498/15). Dass der Ehemann der Betroffenen deren Versorgung durch die Inanspruchnahme von Hilfeleistungen Dritter – etwa eines Pflegedienstes oder anderer ambulanter Hilfen – nicht gewährleisten kann oder will, hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt…..

Bei Vorliegen einer wirksamen Vorsorgevollmacht darf aber (gemäß § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB alter Fassung bzw. § 1820 BGB neuer Fassung seit dem 01.01.2023) eine Betreuung nur für die Angelegenheiten des Betroffenen eingerichtet bzw. aufrechterhalten werden, die der Bevollmächtigte nicht in ausreichendem Maß vornehmen kann.

Fazit:

1. Der Vorsorgebevollmächtigte ist berechtigt, aber nicht persönlich verpflichtet.

2. Es bleibt grundsätzlich beim Vorrang der Vorsorgevollmacht vor einer gesetzlichen Betreuung, auch wenn der Bevollmächtigte weiter weg wohnt, es sei denn, es liegen erhebliche Gründe vor, die es dem Vorsorge-Bevollmächtigten unmöglich machen, den Betroffenen rechtlich zu betreuen.

Es kommt nicht darauf an, dass der Bevollmächtigte etwa aufgrund der räumlichen Entfernung keine persönlichen Betreuungsleistungen erbringen kann.

Neues Betreuungsrecht – Folge 1

Das neue Betreuungsrecht gilt seit dem 01.01. dieses Jahres. Wichtiger Bestandteil ist das neu geregegelte Ehegatten-Notvertretungsrecht in Angelegenheiten der Gesundheitssorge, § 1358 BGB neuer Fassung.

Ehepartner gehen wie selbstverständlich davon aus, dass sie sich gegenseitig vertreten können, weil sie verheiratet sind. Dies ist mit Ausnahme von Geschäften zur Deckung des Lebensbedarfs der Familie jedoch nicht der Fall. Eine Ausnahme hat der Gesetzgeber zum 01.01.2023 geschaffen: Nach § 1358 BGB können sich in Akut- und Notsituationen –  nur in Angelegenheiten der Gesundheitssorge – vertreten. Grundvoraussetzung: Der Ehepartner kann seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge (und nur diese) aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit nicht mehr selbst besorgen. 

In diesen Fällen kann der andere Ehepartner in die Untersuchung des Gesundheitszustandes, in eine ärztliche Behandlung und in ärztliche Eingriffe einwilligen, sie untersagen und ärztliche Aufklärungen entgegennehmen (§ 1358 Abs. 1 Nr. 1), Behandlungsverträge, Krankenhausverträge und Verträge über eilige Maßnahmen der Rehabilitation und der Pflege abschließen und durchsetzen (Nr. 2) und über freiheitsentziehende Maßnahmen nach § 1831 Abs. 4 BGB entscheiden, sofern deren Dauer im Einzelfall sechs Wochen nicht überschreitet (Nr. 3), schließlich Ansprüche, die dem vertretenen Ehepartner krankheitsbedingt gegenüber Dritten zustehen, geltend machen und an Leistungserbringer abtreten oder Zahlungen an diese verlangen (Nr. 4).

Aber:

Die Ehepartner dürfen nicht getrennt leben, es darf kein Betreuungsverfahren laufen, es darf keine Vorsorgevollmacht geben, es darf kein Widersopruch des Ehepartners gegen seine Vertretung durch den anderen im Zentralen Vorsorgeregister registriert sein , es muss nicht anderweitig schon über die Gesundheitssorge gesorgt sein, und die zur Vertretung berechtigende Erkrankung des anderen darf nicht länger als sechs Monate zurückliegen

Der vertretende Ehepartner muss diese Voraussetzungen dem Arzt gegenüber erklären, dieser muss sie festhalten und stellt dann eine Bescheinigung über die Vertretung aus.

Achtung:

Die 6-Monatsfrist beginnt nicht mit dem ersten Arztbesuch, sondern mit dem Beginn der Erkrankung! Versuchen Sie es also erst vier Monate selbst zu Hause und gehen dann zum Arzt, besteht das Notvertretungsrecht noch zwei Monate! Die freiheitsentziehenden und freiheitsbeschränkenden Maßnahmen (z.B. Bettgitter, Gurte, sedierende Medikamente) dürfen für maximal sechs Wochen ergriffen werden.

In dem vom Arzt auszustelleneden Dokument muss der Vertreter auch versichern, dass das Vertretungsrecht bisher wegen der aktuellen Erkrankung nicht ausgeübt wurde und eben kein Ausschlussgrund vorliegt.

Für die Praxis ist es in der Krisensituation problematisch, wie weit der Arzt die Angaben des Vertreters prüfen muss: 

Muss er sich den Ausweis vorlegen lassen? Wie reagiert der Arzt, wenn erkrankter und vertretender Ehepartner unterschiedliche Nachnamen haben? Wie stellt er dann fest, dass beide verheiratet sind? Kann er sich auf die Versicherung des Vertreters verlassen? All diese Fragen sind in der Praxis noch ungeklärt. Deswegen bleibt eine Vorsorgevollmacht, in der Sie die wirtschaftlichen, rechtlichen und Vermögensangelegenheiten ebenso regeln wie die persönlichen Angelegenheiten der Gesundheitssorge, am besten kombiniert mit einer differenzierten Patientenverfügung, unverändert extrem wichtig! Dies betont der Gesetzgeber auch ausdrücklich im neuen Betreuungsrecht, in dem er für die Vorsorgevollmacht eine eigene Vorschrift (§ 1820 BGB) geschaffen und nochmals betont hat, dass eine Vorsorgevollmacht dem staatlichen Eingreifen durch ein Betreuungsverfahren vorgeht.

Ohne Wenn und Aber – Verantwortung für´s Unternehmen durch unternehmensbezogene Vorsorgevollmachten

Vielen ist nicht bewusst, dass mangelnde Vorsorge bei einer vorübergehenden oder dauernden Handlungsunfähigkeit des Einzelunternehmers, Gesellschafters oder Geschäftsführers nicht nur im privaten Bereich zu erheblichen Einschnitten, sondern auch zu kaum mehr reparablen wirtschaftlichen Konsequenzen im Betrieb bis hin zur Insolvenz führen kann!

Das zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer in Berlin registriert monatlich zehntausende von Vorsorgevollmachten – die Vorsorgevollmacht mit integrierter Patientenverfügung liegt also voll im Trend. Liegt eine solche Vorsorgevollmacht nicht vor, kommt es für den Menschen, der nicht mehr selbst für sich handeln kann (sei es privat, aber auch in seiner Verantwortung für ein Unternehmen) zwingend zur Bestellung eines Betreuers durch das Betreuungsgericht.

Will der Unternehmer dies vermeiden, muss er auch für den betrieblichen Bereich vorbauen. Diese unternehmensbezogenen (betrieblichen) Vollmachten führen weiterhin ein Schattendasein. Was nur wenige wissen, ist, dass die in der Praxis bekannten Instrumente wie Prokura und Handlungsvollmacht selten ausreichen, um für mittelständische Unternehmen Vorsorge zu treffen: Zwar umfasst die regelmäßig als Generalvollmacht ausgestaltete Vorsorgevollmacht „an sich“ auch den beruflichen oder unternehmerischen Bereich, aber für Unternehmer gelten die besonderen Spielregeln des Berufs- und des Handels- und Gesellschaftsrechts für die Erteilung von Vollmachten (z. B. Umfang der Vertretungsregelung, Prinzip der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften, Ausschluss/Einschränkungen durch den nicht immer aktuellen Gesellschaftsvertrag).

Es ist daher unerlässlich, diese „normale“ Vollmacht im Unternehmensbereich um eine klare Handlungsanweisung zu ergänzen, in der der Unternehmer zumindest in groben Zügen festlegt, was aus seinem Unternehmen wird, wenn er durch Unfall oder Krankheit für längere Zeit oder auf Dauer ausfällt.

Danach gilt: Der Unternehmer sollte die Vollmachten für den Privat- und den Geschäftsbereich trennen! Im privaten Bereich kann etwa die Ehefrau/der Sohn/die Tochter zusammen mit der Unterstützung eines Vorsorgeanwalts eingesetzt werden, der auch als Bindeglied zum Unternehmen dienen kann. In der betrieblichen Handlungsanweisung äußert der Unternehmer seine Vorstellungen zum weiteren Schicksal des Unternehmens bei seinem zeitweiligen oder völligen Ausfall und legt den Handlungsrahmen des Bevollmächtigten fest: Sie gibt vor,  wie der Betrieb fortgeführt werden soll (sei es durch Übertragung, Verkauf oder Liquidation des Unternehmens), und sagt etwas auch über die Reihenfolge solcher Maßnahmen (so steht die Betriebsfortführung in der Regel im Vordergrund).

Diese Handlungsanweisung sichert nicht nur die Aufrechterhaltung des Lebenswerkes des Unternehmens, sondern kann (und sollte) auch vorsehen, dass sich der Unternehmer dabei wiederkehrende Erträge zur eigenen Altersvorsorge vorbehalten kann.

Die Handlungsanweisung muss typische unternehmensbezogene Fragen regeln wie etwa im Vorsorgefall

  • über Vermögensgegenstände und speziell mit Domains, Marken, Patenten, Lizenzen und andere betriebsbedingte Wirtschaftsgüter und Rechte verfügt werden soll,
  • Bürgschaften und Patronatserklärungen abzugeben  sind,
  • Arbeits- oder Dienstverhältnisse abgeschlossen, geändert oder gekündigt werden,
  • in Gesellschaftsversammlungen Erklärungen abzugeben, Beschlüsse zu fassen sind,
  • Unternehmensverträge zu schließen sind,
  • Umwandlungen, Verschmelzungen, Betriebsspaltungen, aber auch Betriebsschließungen und Teilbetriebsveräußerungen durchzuführen sind,
  • Handelsregisteranmeldungen abzugeben sind
  • Uvm.

In der Handlungsanweisung sollte zudem geregelt werden, ob und in welchem Maße von der Vollmacht im Ausland (bei Tochtergesellschaften, Niederlassungen oder gegenüber Handelsvertretern) Gebrauch gemacht werden soll.

Solche Vollmachten und Handlungsanweisungen sichern die dauerhafte Fortführung des Unternehmens durch Dritte – denn nur dann ist das Unternehmen nicht zu sehr von der Persönlichkeit und dem Wissen des „Patriarchen“ abhängig. Auch bleibt so die „Brandmauer“ zwischen betrieblichem und privatem Vermögen aufrechterhalten, die dazu führt, dass das Unternehmen im Zweifel schnellstens in eine haftungsbeschränkte Form (GmbH) umgewandelt werden kann.

Auch Stimmrechtsvollmachten sind je nach Qualität des Gesellschaftsvertrages Gegenstand der Handlungsanweisung, insbesondere dann, wenn der Unternehmer Mitgesellschafter ist.

Zusammenfassend festzustellen bleibt, dass sich solch unternehmensbezogene Vorsorgevollmachten von der allgemeinen privaten Vorsorgevollmacht vor allem dadurch unterscheiden, dass sie auf den Fortbestand des Unternehmens ausgerichtet ist. In ihrem Fokus steht nicht die Aufrechterhaltung der Selbstbestimmung des Betroffenen, wenn er nicht mehr handlungsfähig ist, sondern die Unternehmenssicherung und – nachfolge mit allen Konsequenzen für die Mitarbeiter und die Familienangehörigen, bei der dieselben Grundsätze wie bei der allgemeinen Nachfolgeregelung gelten.

Bundesgerichtshof präzisiert die Anforderungen an eine bindende Patientenverfügung

Der BGH hat sich erneut mit den Anforderungen an eine bindende Patientenverfügung im Zusammenhang mit dem Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen befasst (BGH 8.2.17, XII ZB 604/15)  

Aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 40/17 vom 24.3.17:  

Der Sachverhalt im Wesentlichen: Die Betroffene (B) befindet sich nach einem Schlaganfall und einem hypoxisch bedingten Herz-Kreislaufstillstand im wachkomatösen Zustand. Sie wird seitdem über eine Magensonde künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt. Sie hatte ein mit „Patientenverfügung“ betiteltes Schriftstück unterschrieben. Darin war niedergelegt, dass u. a., wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht, oder aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollten. Vor ihrem Schlaganfall hatte die B mehrfach gegenüber Familienangehörigen und Bekannten angesichts zweier Wachkoma-Patienten aus ihrem persönlichen Umfeld geäußert, sie wolle nicht künstlich ernährt werden, sie wolle nicht so am Leben erhalten werden, sie wolle nicht so daliegen, lieber sterbe sie. Sie erhielt in der Zeit zwischen dem Schlaganfall und dem späteren Herz-Kreislaufstillstand einmalig die Möglichkeit, trotz Trachealkanüle zu sprechen. Bei dieser Gelegenheit sagte sie ihrer Therapeutin: „Ich möchte sterben.“ Das AG bestellte den Sohn (S) und den Ehemann (M) der B zu jeweils alleinvertretungsberechtigten Betreuern. Der S ist, im Einvernehmen mit dem bis dahin behandelnden Arzt, der Meinung, die künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr solle eingestellt werden. Der M lehnt dies ab. Das AG hat den Antrag der durch ihren Sohn vertretenen B auf Genehmigung der Einstellung der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr abgelehnt. Das LG hat die dagegen gerichtete Beschwerde der B zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerden der B und des S hat der BGH die angefochtene Entscheidung aufgehoben und das Verfahren an das LG zurückverwiesen. 

Die Begründung des Bundesgerichtshofes zusammengefaßt: Der vom S beabsichtigte Widerruf der Einwilligung in die mit Hilfe einer PEG-Magensonde ermöglichten künstlichen Ernährung nach § 1904 Abs. 2 BGB bedarf grundsätzlich der betreuungsgerichtlichen Genehmigung, wenn durch den Abbruch der Maßnahme die Gefahr des Todes droht. Eine betreuungsgerichtliche Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB ist jedoch nicht erforderlich, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer bindenden Patientenverfügung nach § 1901a Abs. 1 BGB niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. Eine schriftliche Patientenverfügung i. S. d. § 1901 a Abs. 1 BGB entfaltet aber nur unmittelbare Bindungswirkung, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, bei Abfassung der Patientenverfügung noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Dabei dürfen die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung aber auch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. 

Zur erforderlichen Bestimmtheit hat der BGH entschieden (6.7.16, XII ZB 61/16): Zwar enthält die Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung. Die erforderliche Konkretisierung kann aber ggf. durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen. Dies hat der BGH nun weiter präzisiert: Die erforderliche Konkretisierung kann sich im Einzelfall auch bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Ob in solchen Fällen eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliegt, ist durch Auslegung der in der Patientenverfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln. 

Praxishinweis: Wenn Sie sicher sein wollen, daß Ihr Wille im Fall des Falles, in der konkreten Lebenskrise, ohne gerichtliche Genehmigung und quälende gerichtliche Auseinandersetzungen umgesetzt wird, nehmen Sie ( gerne meine) fachmännische Hilfe bei der Gestaltung Ihrer Patientenverfügung in Anspruch!

Wird eine Vorsorgevollmacht künftig entbehrlich? Nein.

Aus: Seniorenrecht Aktuell, IWW-Verlag, Ausgabe 20/2016

Der Bundesrat hat am 14.10.16 ein „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartner in Angelegenheiten der Gesundheitsfürsorge und in Fürsorgeangelegenheiten“ beschlossen (BR-Drucksache 505/16). |

Ist danach ein Partner, z. B. wegen eines Unfalls, nicht mehr in der Lage, für sich zu entscheiden, soll der Ehegatte Fragen in Gesundheitsangelegenheiten regeln dürfen. Er kann in ärztliche Heilbehandlungen einwilligen oder Behandlungsverträge abschließen. Der Arzt soll von seiner Schweigepflicht gegenüber dem Ehegatten entbunden sein. Voraussetzung ist, dass die Ehepartner nicht dauernd getrennt leben. Dem Erklärungsgegner (Arzt, Krankenhaus) darf keine anderweitige Vollmacht vorliegen, es darf keine Betreuung bestehen oder ein dem entgegenstehender Wille des Betroffenen bekannt sein.

 Achtung:  Nach der Gesetzesbegründung soll der Ehegatte, der der Bevollmächtigung widersprochen hat, diesen Widerspruch gegenüber den Erklärungsempfängern oder einer Vertrauensperson äußern. Das schränkt das Selbstbestimmungsrecht über Gebühr ein. Hat jemand keine Vertrauensperson und will er der Bevollmächtigung seines Ehegatten widersprechen, soll er dann ernstlich diesen Widerspruch sämtlichen Ärzten und Krankenhäusern gegenüber äußern müssen?

 Es drängt sich hier auf, dass das eigentliche Ziel des Gesetzes darin besteht, Geld zu sparen. Durch die gesetzlich fingierte Vollmacht sollen sonst notwendige Betreuungsverfahren überflüssig werden. Zu Recht wird beklagt, dass bislang sehr wenige Personen von der Vorsorgevollmacht Gebrauch machen. Gleichzeitig wird mit dem Entwurf aber suggeriert, eine Vorsorgevollmacht unter Ehegatten sei entbehrlich. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Nach den Worten der Entwurfsbegründung kann und soll das neue Gesetz eine Vorsorgevollmacht nicht ersetzen. Ihre Begrenztheit folge bereits aus ihrem engen Anwendungsbereich, allein in Bezug auf Gesundheitsangelegenheiten.